Sonntag, 21. September 2014

Wenn sich in Berlin nicht mehr nur die Touristen danebenbenehmen, sondern auch die lieben Nachbarn aus Brandenburg

Gestern Nacht, halb eins, Berlin Mitte: Geflohen aus einer Bar und vor einer Horde Mädchen, die ihren männlichen Begleitern ein „Du spinnst doch! Zu dick! Du bist doch suuuuperschlank!“ abringen wollten, nahmen wir die fünfminütige Wanderung auf den Prenzlauer Berg auf uns. Vorbei an der wunderschönen Zionskirche begegnete uns ein Mann, der mit dem Rücken zur Hauswand gedreht war. Zwischen seinen ausgelatschten Treten ergoss sich langsam aber stet ein See. Ich starrte ihn an und unterbreitete ihm fassungslos folgenden Vorschlag: „Nicht dein Ernst! Wenn du dich einmal umdrehst, steht da ein Baum. Auch das wäre nicht sehr schön, wenn du in der Öffentlichkeit, in einer Gegend mit vielen Kindern gegen einen Baum pinkeln würdest. Aber: das wäre noch gefühlte eine Million Mal besser, als gegen ein Fenster eines Spielwarengeschäftes zu urinieren!“


Meine beste Freundin wies mich, genauso erbost wie ich, darauf hin, dass der Hornochse bestimmt nicht einmal Deutsch könne und das nur wieder ein Tourist sei, der Berlin wie eine Mülltonne behandle. Doch dagegen wehrte sich der Hallodri (wenn auch mit etwas verzögerter Reaktionsfähigkeit): „Ich bin kein Touri! Ich bin Brandenburger, ihr Schnepfen!“ Ich verabschiedete mich mit „Deine Mama tut mir so unendlich leid!“ und zog mit meiner Freundin von dannen. Der Hallodri bedankte sich mit „Du willst doch nur mit mir f***en!“. Wenn ich eines mit Bestimmtheit sagen kann, dann, dass ich nicht mit jemandem, der gegen Fensterscheiben uriniert und dann auch noch das unerschütterliche Selbstbewusstsein eines Kokainabhängigen hat, Sex haben möchte.

von Adolph Knigge (Deutsches Textarchiv aufgerufen am 1. Juli 2013)
Gut, an diesem Abend schien der Druck auf die Blasen enorm 
zu sein, denn nur drei Minuten später liefen wir dem nächsten Idioten über den Weg. Der machte aber mehr aufgrund seiner Dummheit von sich reden, als von seiner Dreistigkeit. Denn die Scheibe, an der er sich erleichterte, war die der Polizeiwache.... Ich machte ihn darauf aufmerksam und fragte ihn, ob seine Mama ihm nicht von der Existenz der Toilette berichtet habe. Damit traf ich wohl einen Nerv und er wehrte sich mit Beschimpfungen über dieses versnobbte Berlin Mitte (in dem wir uns wieder befanden) und in dem er sich ja sichtlich so wohl fühlte, dass er nicht mit einer schüchternen Blase zu kämpfen hatte. Bei ihm in Brandenburg würde sich da keiner beschweren..

Wenn diese Abneigung gegen Respekt- und Gedankenlosigkeit Snobismus ist, dann bin ich wohl
oder übel ein Snob. Ich nenne es lieber die Grundregeln des Benehmens, aber gut...

Ich hoffe diese Menschen machen irgendwann einmal in einem ihrer Alkoholdelirien ins Bett und wachen morgens in ihrem eigenen Urin auf. Vielleicht hilft das.  

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