Dienstag, 16. Juni 2015

Victoria - ein Film mit vier Substantiven in Trainingsanzügen. Teilweise mit Sprachfehler oder Minnie Mouse Haarreifen in der Frisur.

Es gibt Filme, bei denen bin ich mir nicht sicher, ob die anderen Zuschauer den selben Film sehen wie ich. „Victoria“ ist so ein Film. Dieser Film zieht Hollywood in seinen Bann und lässt das Publikum kichernd und johlend im Kinosessel versinken. Alle und jeder, der auch gar nichts davon weiß, sprechen über dieses Stück Berliner Nacht, gebannt auf einer SD-Karte.
Mit mir hat niemand über diesen Film gesprochen. Ich wurde angelockt von diversen himmelhochlobenden Kritiken und einem vielversprechenden Trailer.



Versprochen hatte ich mir von „Victoria“ eine mitreißende und auch spannende Geschichte aus einer Berliner Nacht, die trotzdem im Rahmen des real Möglichen geschieht. Dass die Hauptrollen nicht aus der privilegiertesten Schicht stammen, war bereits im Trailer klar. Doch hatte ich eher angetrunkene Durchschnittshipster erwartet, als an geistig völlig umnachtete, kriminelle „real Berliners“ in Trainingshosen gedacht.
Der Film wirkt zu Beginn sehr natürlich. Vielleicht ein wenig zu betont unschuldig und verschüchtert bestellt Victoria ihren letzten Wodka vor dem Aufeinandertreffen mit den vier Substantiven. Sonne, Fuß, Blinker und Boxer. Oh Mann. Die realistische Anmutung ist dahin. Die Namen klingen einfach nur doof und erwecken den Anschein, dass der Macher ein bisschen zu tief in die Hellersdorf-Kiste gegriffen hat. Was nach diesem ersten Kennenlernen zwischen der spanischen, ungekämmten, einsamen Hipster-Uschi und ihren nächtlichen Weggefährten passiert? Nichts. Keine Handlung. Nur ein Umherschwirren durch die Berliner Nacht. Für eine begrenzte Zeit ist das ja auch ganz schön. Dass man sich treiben lassen kann. Doch nicht ganz so schön ist dieses wild durcheinander geschriene Denglisch mit Kraftausdrücken als Anrede unter den vier Freunden. Ich denke häufiger „Auweia“; der Rest des Saals lacht. Vielleicht bin ich mit diesem Jargon einfach nicht genügend vertraut.
Auf jeden Fall kommt dann irgendwann ein Punkt, an dem sich wohl gedacht wurde: wir brauchen Action. Dann geht es los. Aber mit durchgetretenem Gaspedal. Der Film driftet so unglaubwürdig in eine mafiöse-Machenschaften-in-Berliner- Tiefgaragen Richtung ab, dass ich aussteige. Eine halbe Stunde vor Ende und knappen 60 Minuten unentwegtem Rumgebrülle und Geballere verlasse ich den Saal.

Ja, der Film hat durch die schnittlose und verwackelte Kameraführung etwas von einem Tatsachenbericht. Die Art des Films mutet sehr realistisch an. Doch der Inhalt ist verquer.
Ich kenne mich zu wenig im Berliner Gangstermilieu aus, um sagen zu können, ob sich solche Szenen in Berlin nachts abspielen. Das ganze Dilemma erinnert mich an poetischen Realismus. Als habe Fontane mit vier Assis und einer Dumpfbacke in Berlin einen Film über sich anbahnende Liebeleien drehen wollen und sei dann über eine Line Kokain gestolpert um am Ende völlig am Rad zu drehen.
Mich hat selbst Frederick Lau, den ich für einen begnadeten Schauspieler halte, nicht bis zum Ende durchhalten lassen.
Dieser Film ist bestimmt für diejenigen Intellektuellen sehenswert, welche eine gute Ausdauer und Sitzfleisch haben und sich gern sagen hören wollen, wie „direkt von der Straße“ diese Gespräche sind. Oder auch für diejenigen, welche sich selbst wiedererkennen.


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