Es gibt Filme, bei denen bin ich mir
nicht sicher, ob die anderen Zuschauer den selben Film sehen wie ich.
„Victoria“ ist so ein Film. Dieser Film zieht Hollywood in seinen
Bann und lässt das Publikum kichernd und johlend im Kinosessel
versinken. Alle und jeder, der auch gar nichts davon weiß, sprechen
über dieses Stück Berliner Nacht, gebannt auf einer SD-Karte.
Mit mir hat niemand über diesen Film
gesprochen. Ich wurde angelockt von diversen himmelhochlobenden
Kritiken und einem vielversprechenden Trailer.
Versprochen hatte ich mir von
„Victoria“ eine mitreißende und auch spannende Geschichte aus
einer Berliner Nacht, die trotzdem im Rahmen des real Möglichen
geschieht. Dass die Hauptrollen nicht aus der privilegiertesten
Schicht stammen, war bereits im Trailer klar. Doch hatte ich eher
angetrunkene Durchschnittshipster erwartet, als an geistig völlig
umnachtete, kriminelle „real Berliners“ in Trainingshosen gedacht.
Der Film wirkt zu Beginn sehr
natürlich. Vielleicht ein wenig zu betont unschuldig und
verschüchtert bestellt Victoria ihren letzten Wodka vor dem
Aufeinandertreffen mit den vier Substantiven. Sonne, Fuß, Blinker
und Boxer. Oh Mann. Die realistische Anmutung ist dahin. Die Namen
klingen einfach nur doof und erwecken den Anschein, dass der Macher
ein bisschen zu tief in die Hellersdorf-Kiste gegriffen hat. Was nach
diesem ersten Kennenlernen zwischen der spanischen, ungekämmten,
einsamen Hipster-Uschi und ihren nächtlichen Weggefährten passiert?
Nichts. Keine Handlung. Nur ein Umherschwirren durch die Berliner
Nacht. Für eine begrenzte Zeit ist das ja auch ganz schön. Dass man
sich treiben lassen kann. Doch nicht ganz so schön ist dieses wild
durcheinander geschriene Denglisch mit Kraftausdrücken als Anrede
unter den vier Freunden. Ich denke häufiger „Auweia“; der Rest
des Saals lacht. Vielleicht bin ich mit diesem Jargon einfach nicht
genügend vertraut.
Auf jeden Fall kommt dann irgendwann
ein Punkt, an dem sich wohl gedacht wurde: wir brauchen Action. Dann
geht es los. Aber mit durchgetretenem Gaspedal. Der Film driftet so
unglaubwürdig in eine mafiöse-Machenschaften-in-Berliner-
Tiefgaragen Richtung ab, dass ich aussteige. Eine halbe Stunde vor
Ende und knappen 60 Minuten unentwegtem Rumgebrülle und Geballere
verlasse ich den Saal.
Ja, der Film hat durch die schnittlose
und verwackelte Kameraführung etwas von einem Tatsachenbericht. Die
Art des Films mutet sehr realistisch an. Doch der Inhalt ist verquer.
Ich kenne mich zu wenig im Berliner
Gangstermilieu aus, um sagen zu können, ob sich solche Szenen in
Berlin nachts abspielen. Das ganze Dilemma erinnert mich an
poetischen Realismus. Als habe Fontane mit vier Assis und einer
Dumpfbacke in Berlin einen Film über sich anbahnende Liebeleien
drehen wollen und sei dann über eine Line Kokain gestolpert um am
Ende völlig am Rad zu drehen.
Mich hat selbst Frederick Lau, den ich
für einen begnadeten Schauspieler halte, nicht bis zum Ende
durchhalten lassen.
Dieser Film ist bestimmt für
diejenigen Intellektuellen sehenswert, welche eine gute Ausdauer und
Sitzfleisch haben und sich gern sagen hören wollen, wie „direkt
von der Straße“ diese Gespräche sind. Oder auch für diejenigen,
welche sich selbst wiedererkennen.
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